Es ist der 25.11.2019 und ich sitze im Moeder Lambic und ich trinke mittlerweile schon mein drittes lokales Bier. Da es belgische Biere sind, tendieren die Prozentangaben auf der Biermenüliste zweistellting zu sein. Dieses aber, das aktuelle, ist das Oud Bruin von Brouwerij ´t Verzet. Etwas wie das Trinken der Sauren Bohnen von Haribo, die ich als Kind und Student immer bis zum brutalen Bauchweh konsumiert habe. Auch hier werden im Mund alle Zesten durch die Säure angespannt um im Abgang harmonisch einen holzartigen Fasscharakter preis zugeben. Ein wahrlich verwirrender unklarer Mix, der zunächst keinen Sinn macht, aber doch irgendwie schmeckt.

Herrlich in Brüssel zu sein, ich genieße hier nicht nur das Bier und die Fritten, vielmehr fühle ich mich bei dem charmanten Chaos hier den Terminus technicus der „Seelenlandschaft“ an mir vorbeiziehen. So chaotisch wie diese Häuser hier teilweise gebaut sind, türmt sich auch mein Leben gerade auf. Das Jahresende ist immer gefüllt von Stress im Beruf und im sonstigen Leben … Heute morgen war ich noch in Wadersloh und habe mit meiner Mutter auf ihren Geburtstag angestoßen. Am Freitag war ich noch in Waldbronn auf einem Geburtstag von einem Freund, zu dem ich direkt von einem Kundenbesuch in Marl kam. In 3 Tagen mehrmals durch halb Deutschland in maroden Zügen gerattert.

Was war das für ein Chaos und wie groß wird dieses Chaos noch werden. Dieser chaotische Lebensstil nimmt mich mehr und mehr in Kauf. Von meinem Beruf aus muss ich viel Reisen. Es führt kein Weg dran vorbei. Morgen habe ich ein wichtiges Meeting mit einem großen Kunden, es ist das erste seiner Art. Da ist es gut, persönlich vorstellig zu werden. Man soll sehen, mit wem man es zu tun hat. Wie viel mehr ist es wert die nichtverbale Kommunikation des anderen zu sehen. Ich verabschaue telefonieren, weil mir das Sehen und Spüren der Emotionen fehlen. Lacht jemand über einen Joke von mir, weil er in lustig findet und er weil er aus Höflichkeit lachen muss. Alle diese zarten Nuancen der Kommunikation, die uns Skype oder Webex nicht erkennen lässt, befehlen mir die Reisen anzutreten.

Es is okay…ich sehe was. Ich bin neugierig. Ich will die Fragen stellen: Wie bist du, neue Stadt? Was macht dich aus? Deswegen schreibe hier, ich will lernen wie ich schreibe. Wie schreibe ich auf was ich sehe und was ich dabei fühle. Die Stadt als Kosmos. So viel geschieht hier. Wie hier in Brüssel, in dieser besonderen Stadt. In chaotischen Mäandern bewegen sich die bunten Flüsse der Menschen hier. Häufig stockt es hier, aber es gibt auch erhellendes.

Als ich vorher am Nordbahnhof angekommen bin, war das Licht so besonders. Eine Mischung aus den neuen Bürokomplex Neon und dem Abendlicht. Wunderschön surreal. Ich will mehr sehen, ich will weiterziehen.

In der Rubrik Fernsicht werde ich weiter von solchen Reisen und Beobachtungen berichten um meine Sprache zu finden. Um mir Ordnung zu geben im Chaos meiner Reisen und Gefühle.