Frau Schmitt schaut auf die Plöck und sieht

Ich sitze am Fenster und weiß nicht genau wie spät es denn schon wieder ist, aber da geht wieder dieser junge Mann mit seinem verschmitzten Lächeln. Trägt er eine Kappe oder was hat er da um die Ohren?

Ach wie er damals mit der Feldmütze mit dem roten Kreuz vor uns stand. Ich war so stolz, was für ein Held er doch ist. Ich weiß noch wie er sagt: „Elisabeth, Karl, wenn ich wieder komme, bringe ich euch an alle die Plätze an denen ich auch war. Alles wird unser zuhause sein.“

Und er bringt mich dann zu diesen Orten. Gespart haben wir. Mehrere Jahre. Und wir fuhren nach Rimini. Meine Füße in der Adria und er filmt mich mit unserer ersten Kamera. Hahahahaha. Wie lustig die Kamera auf seinem runden Bauch ruht, wenn er mich filmt.

Aber da waren wir in diesem Film. Ach wie er immer diese Cowboy Filme mochte. Mit seinen warmen, betörenden braunen Augen sah er mich an und bat mich: „Komm wir gehen ins Kino heute, ich lade dich ein“. Ach wie wir uns satt sehen an Grace Kelly und Gary Cooper. Er ist mein Held und er hält mich im Arm.

Da lacht dieser Junge da unten wieder, an wen er wohl denkt.

Und ich liege auf seinem runden Bauch. 20 Stunden bis nach Narbonne sind wir gefahren. Und wie der Wind hier weht, gepaart mit dieser Wärme. Berauscht vom Pastis lachten wir bis in die Morgenstunden. Am nächsten morgen ist er krank. Sein Bauch tut weh, sagt er. Ich bin für ihn da.

Er ist verrückt sagten sie mir. Ach. Warum ist es so schwer mit dir. Ist es weil dein arm so lahm ist. Wo bist du? Ich kämpfe für ihn. Bringe ihn auf die richtige Schule, alle sagen nein, aber ich weiß er ist hier richtig. Er dankt es mir. Ich sehe es in seinen Augen: „Ja hier will ich sein.“

Wir reiten aus, du und deine Cowboy Fantasien. Wir wollten frei sein. All diese Prärien durch die wir reiten. Wie Winnetou und Old Shatterhand, unzertrennlich.

Und wir vermissen dich. Wir wissen du bist weit weg. Wo genau wissen wir nicht. Mama sagt du bist in Italien, aber wir wissen nicht was du da machst.

Aber dann warst du weg. Deine Kamera hat uns alles eingefangen. Dein Bauch ist weg. Oh Gott, was ist nur geschehen. Du liegst hier starr und mager,  was soll ich nur ohne dich?

Oh winkt der junge Mann mir zu? Na das ist doch ein adretter Herr.

Er war auch mit seinen Eltern im Urlaub. Wandern in den Alpen. Und am ersten Tag schrieb er mir gleich einen Brief. Wie sehr er mich doch vermisst. Das Ausreiten und all unser Lachen. Ich sehe seine braunen Augen vor mir, und verliere mich.

Aber warum kommt er nicht. Ja er ist ein schwieriger Junge, aber er hatte es versprochen, dass er wiederkommt. Wie lange habe ich ihn schon nicht gesehen. Es müssen Jahre sein. Er sieht bestimmt immer noch aus wie sein Vater, nur der Arm ist so anders.

Als wir 20 Jahre verheiratet waren, gab er mir einen Ring. „Ich liebe dich, für das was du warst, für das was du bist und für das was war du sein wirst“ sagte er mir. Wir waren beide schon so runzling, sein Bauch größer als jemals zuvor. „Glück korreliert mit dem Umfang des Ranzen mein Schatz“, so sprach er immer. Wie glücklich ich bin.

Er winkt nicht mehr und geht seines Weges, aber ich sehe ihn immer noch lächeln. An wen er wohl denkt.

Und ich denke wann kommt er wieder, wann bringt er uns zu den Orten an denen er war. Wann gibt er mir die Feldmütze, die ich immer wollte? Aber wir warten und warten…

Wir filmen unseren Besuch in Rom. Zum ersten Mal sehe ich das Grab meines Vaters in Rom. Ich weine und er hält mich im Arm. Aber ich weiß ich bin froh. In diesem wunderschönen Garten im Vatikan ruht er.

Er rennt über den Strand mit seinen Lederhosen, hahaha. Wie ihn alle hier lieben. Sein Arm ist heute besser. Ein kleiner, munterer Junge, wie die anderen Jungen am Strand auch.

Der junge Mann da unten ist weg, naja so ist das, kommt er wohl doch nicht hoch.

Und dann bin ich mutig. Er ist so schüchtern mit seinem braunen Augen, die mich doch so offensichtlich umwerben. Nach dem Film beuge ich mich zu ihm. Er ist so nervös und ich öffne meine Lippen zaghaft um ihn zu küssen. Er schreckt etwas zurück, aber ich küsse ihn. Und wir sind in diesem Moment wie Grace Kelly und Gary Cooper.